Berliner Kneipe in Moabit

Det is Berlin, wa? Mein Hotel liegt in der Nähe vom Hauptbahnhof, am Ende von Moabit. Auf dem Heimweg fahre ich mit der U-Bahn bis Turmstrasse. Ich komme die Treppe hoch und habe Flashbacks ohne Ende. Hier war der Hertie, in dem Oma arbeitete. Hier bin früher mit Rollerskates gefahren. Dahinter die Kleinmarkthalle. Da muss ich mal wieder hin, das soll super sein zum Mittagessen. Aber jetzt ist es dunkel, kurz vor Mitternacht. Den Dunklen Park kenne ich aus irgendeiner RTL-Doku über Kleindealer. Na und, kenne ich aus Frankfurt. Was soll das. Ich mach mich auf dem Heimweg. Mein Hotel ist ein Altstadt-Idyll. Hotel im zweiten Stock mit Blick in den Hinterhof. Berlin, ich steh auf Dich.

Neben dem Hotel ist noch eine alte Berliner Kneipe. Ich geh auf einen Absacker rein. Die Kneipe hat nicht nur schon bessere Tage gesehen die Kneipe hat schon viel gesehen. Sehr viel. Dunkles Holz, gekachelter Boden. Ich bestelle mir ein Schlutheiss-Pils. Der echte Wirt rennt noch irgendwo rum, also hilft mir ein Stammgast. Der kennt sich zwar mit der Zapfanlage überhaupt nicht aus, aber er unterhält mich bis der Wirt wiederkommt. Ich kann die Augen gar nicht lassen von der BugsBunny Hose des Typs.

Mein Pils dauert. Neben mir sitzt einer ruhig, den Kopf gesenkt und schaut in sein Glas. Rechts an der Wand raucht ein Kerl. Sein fettiges Haar hängt in Strähnen runter, aber er scheint sehr zufrieden zu sein. Am Spielautomaten daneben sitzt einer und zockt stundenlang. Die ganze Zeit, in der ich da war. hat er nur ein paar Sätze gesagt. Gut, viel mehr habe ich auch nicht gesagt. Dann kommt noch ein Dicker mit einem Minnesota Vikings T-Shirts. Ich glaube nicht, dass er weiß, was er da an hat. Ich halte mich zurück und diskutiere nicht über Moritz Böhringer und seine Chancen im Vikings-Kader.

Ich schaue mich um. Überall sind Hertha Fanartikel. Die ganze Decke ist weiß-blau mit Logo. Hier ein Wimpel, da eine Autogrammkarte. Ick bin in Berlin.

Ich denke an die Hertha, an die Spiele die ich besucht habe. In Offenbach, in Darmstadt und im Olympia-Stadion. Besonders das verlorene Aufstiegsspiel gegen Werder, damals 80/81. Und auf einmal sitzt mein Papa neben mir in der Kneipe. Was haben wir gemeinsam mit der Hertha durchgemacht. Er mit mehr Herzblut  als ich. Ich denke an alle die schönen Zeiten. Ich sitze in Moabit, nicht weit von hier ist mein Papa aufgewachsen. Hier hat er seine Kindheit verbracht, wurde erwachsen. Meine Gedanken gehen zu den Geschichten mit seinem Vater und dem Kabarett. Die Stachelschweine, von denen ich gerade kommen, das war seine Welt damals. Seine Freiheit und Flucht von Zuhause.Papa ist bei mir und erzählt mir von früher.

Plötzlich habe ich ein Bild von Augen. Die Kneipe in der Waldstrasse nähe Bushaltestelle. Ich kenne sie eigentlich nur von aussen. Aber ein großer Unterschied zu dieser hier gab es bestimmt nicht. Die Geschichten, wie Opa die Kneipe nach Feierabend oft besuchte und von einem kleinen Kind, dass auf den Stühlen stand. War ich das mit Opa? Oder mein Vater damals nach dem Krieg. Gab’s da die Kneipe schon? Egal. Auf jeden Fall hat mein Opa nun auch Platz genommen an der Theke. WIr sitzen hier zu dritt in einer lauen Sommernacht an den Tresen. Ich denke an das Bild von Papa, Joshua und mir. Ich mag die Drei-Generationen-Bilder. Leider habe ich keines mit Opa. Papa und mir. Konnte ja damals keiner ahnen dass uns so wenig Zeit blieb. Apropos Joshua, ich erzählen den beiden von meinem Sohn. Wie gut er sich macht, wie lieb ich ihn habe.

Aus dem Radio ertönt Elton John mit dem „Circle of Life“.
Mir läuft es kalt den Rücken runter.

„Wollen Sie noch ein Bier?“

Ach ne, lassen Sie es gut sein. Ich muss morgen früh raus, noch vor dem Frühstück. Mein Zug fährt weiter.

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